14 Juli 2015

Durchs Herz

Das wahre, das ursprüngliche, fromme und konservative und den alten Werten verbundene Amerika soll hier irgendwo liegen: im Mittleren Westen. In den Weiten der Graslandschaften und zwischen den grünen Hügeln. Verkörpert durch hart abeitende, ehrliche, gottesfürchtige Farmer und deren ebenso ehrbare Frauen und artigen Kinder. Hier, weitab von Washington, dem Zentrum aller Bürokratie und genügend weit ab von den Metropolen im Westen, die ja doch nicht anderes zu bieten haben, als Vergnügen (Hollywood), Geld machen (Silicon Valley) und Sünde (Las Vegas), hier also soll es irgendwo versteckt sein, das urwüchsige Amerika. Von Gott selbst geschenkt (nachdem die Indianer fortgeschafft oder umgebracht waren). Durch entbehrungsreiche Expeditionen erkundet und durch harte Arbeit urbar gemacht... usw. usf.
So ungefähr hört es sich an, wenn man die Geschichtszusammenfassungen liest, natürlich mit Ausnahme der unrühmlichen Indianerpolitik. Alles etwas pathetisch und patriotisch. Vor jedem Haus die Flagge, manchmal auch die der Konföderierten, die kürzlich erst und endgültig vom State Capitol von South Carolina entfernt wurde. Und das ganze ist hier meiner Meinung nach tatsächlich das Mittendrin der USA, sozusagen das Herz dieses grossen Landes, das ich heute ein klein wenig erkundet habe und morgen noch etwa mehr erforschen will. Wenn man erstmal die Autobahn (Interstate) verlassen hat und möglicherweise auch noch die asphaltierten Landstrassen, dann kommt man in die kleinsten Städtchen und Dörfer von Kansas, die verstreut zwischen endlosen Graslandschaften, Maisfeldern und kleinen Wäldchen liegen. Putzige, herausgeputzte Ortschaften ("Grundstück des Monats" in einem Dorf, so klein, dass jeder pro Jahr einmal dran ist mit dieser Ehre...) oder verlotterte Ansammlungen von verlassenen Häusern und bewohnten Trailern (grosse Wohnwagen). Und über allem lag heute, wie wahrscheinlich an jedem Sommertag eine drückende Hitze von knapp über 30 Grad. In manchen Orten waren Menschen nur an den riesigen Siloanlagen zu sehen, sonst waren die Strassen leer.
Ursprünglich hatte ich für heute etwas anderes vorgesehen, doch das Vorhaben wurde dann kurzerhand auf zwei Tage aufgeteilt und statt der langweiligen Interstate habe ich die Landstrassen durch das oben beschriebene wahre Amerika genommen.
Leider kommt man mit den Leuten schlecht ins Gespräch, wenn die alle in ihren klimatisierten Häusern hocken oder auf einem Trecker unterwegs sind oder gar nicht zu Hause (hier sind nämlich auch Ferien). Somit habe ich einer ganzen Reihe von Ortschaften einen reinen Foto-Besuch abgestattet und brauchte selber nicht mal das Auto zu verlassen. Knipsen aus dem offenen Fenster heraus, ganz sportlich. In einem Ort, dessen Name ich jetzt gerade vergessen habe, gab es ein "Café" mit einer Werbefahne aussen dran: "The Party is here". Also da mal rein, ich dachte, es sei so etwas wie eine Kneipe, doch es war ganz anders. Es war ein kleines Bistro mit Mittagessen-Angebot, in dem auch ein paar Leute sassen: Rentner auf Zeitvertreib und Arbeiter, die zur Mittagspause hier waren. Ich fühlte mich wegen der WC-Benutzung verpflichtet, auch etwas zu konsumieren und bekam dann einen fettigen Burger in einem Plastekörbchen mit eingelegtem Butterbrotpapier serviert. "Your wonderful Lunch" sagte der Koch noch überzeugt, als er mir selbst servierte. Naja, es gab schon bessere Mittagessen, die weniger schwer im Magen lagen...
Schlussendlich bin ich dann nach einigen Umwegen in Abilene/Kansas gelandet. "A Town That Raised a President": Dwight D. Eisenhower. Doch geboren ist er hier nicht, wer wird schon in Abilene geboren, fragt man sich... Immerhin hat er etwa 18 Jahre, seine ganze Kindheit und Jugend hier gelebt und das reicht, damit sich ein Städtchen wie dieses den oben genannten Spruch zulegen kann - jedenfalls in Amerika reicht das.
Mir stand dann allerdings nicht mehr der Sinn nach Entdeckungstour. Eine Rundfahrt durch die Downtown zeigte mir auch an, dass die Geschäfte schon geschlossen waren (17 Uhr). So wird Abilene von mir nichts mehr haben, denn morgen früh geht es recht bald weiter. Mein Zeitgefühl ist noch ganz durcheinander, folglich beginnt bei mir der Tag morgens um 3 Uhr während ich jetzt, um 20 Uhr schon ins Bett fallen könnte und gleich auch werde.
Morgen fahre ich noch ein Stück weiter nach Norden ins Zentrum des Herzens und dann wieder gen Süden.
Übrigens ist Kansas sooo gross, dass ein vorgenommenes Ziel gestrichen wurde: Coffeyville, an der südöstlichen Grenze zu Oklahoma. Hier kamen die Dalton-Brüder ums Leben bei dem Versuch, gleich zwei Banken auf einmal auszurauben. Wer aufmerksam Lucky Luke-Hefte liest, kennt immerhin die Vettern Dalton, auf deren Köpfe maximum 5 Dollar ausgesetzt waren...

Bankenkrise (Foto steht ein bisschen schief, aber das sagt ja auch was aus...)

Kansas - früher gab es noch die offenen Landschaften, heute ist alles eingezäunt.
Kein Durchkommen mehr für wandernde Tierarten

Gypsum/Kansas - auf dem Wasserturm steht der Ortsname, deshalb weiss ich ihn.
(Obwohl jetzt alle meine Bilder auch die GPS-Koordinaten von dem
Zusatzgerät an der Kamera bekommen)

Immerhin Solarzellen...

Kirche in Hope/Kansas - "Nomen est Omen" oder wie sagt man?

Red Bull in White City, Kansas. Sie werden wissen, warum...



1 Kommentar:

Tine hat gesagt…

"Grundstück des Monats" wahrscheinlich ist man damit auch verpflichtet alle übrigen Ortsbewohner einmal einzuladen :-).